8. Action Beat – Where are you? LP
Rostendes Metall als Versinnbildlichung der Dekonstruktion.
Dem immerwährenden Zersetzungsprozess hat Sounds of Subterrania mit dieser
Veröffentlichung Tribut gezollt. Rundherum, vorne wie hinten, Metall. Perfekt, denn der Noise-Rock der Briten
beziehungsweise der Noise-Rock generell ist ja wie gemacht dafür. Mechanisch,
metallisch, industriell, aber trotzdem spröde und zerbrechlich irgendwie. Nur
den Mut, das so umzusetzen, den muss man erst einmal haben. Und das hat auch
Konsequenten. Für den Konsumenten nämlich. Dessen Auseinandersetzung mit dieser
Veröffentlichung gestaltet sich relativ
zeitintensiv. Denn zunächst gilt es, die LP aus der starren Metallverpackung zu
fingern. Diese ist im Inneren mit Teppich (hier vielleicht ansatzweise zusehen) ausgekleidet, die Platte sitzt relativ fest. Da braucht es Geduld und
starke Finger. Deswegen auch Vorsicht, wenn man die Scheibe wieder in die Hülle
zurückverfrachtet beziehungsweise schiebt.
Je weiter man sie hineinschiebt, desto
komplizierter wird, sie herauszubekommen. Immerhin macht es die PVC-Hülle in
der sie steckt, etwas einfacher sie zu fassen. Hat man das gute Vinyl dann erst
einmal draußen, geht es weiter mit dem Auspacken. Die LP steckt nicht nur in der Plastik-Hülle,
sondern ist auch noch in eine Folie eingeschweißt, die es noch zu öffnen gilt.
Schließlich hat man es geschafft. Immerhin beschäftigt man sich so intensiv mit
dem Medium. Eine Überdosis Haptik also, die es zwischendurch nötig macht - dank
des Rosts - sich die Hände zu waschen.
Aus diesem Grund sollte man den Warnhinweis auf der Langrille nicht ignorieren.
Das richtige Lagern sollte man ebenso überdenken. Sandwich-like in zwei Blatt Pappe
verpackt steht die LP bei mir im Regal,
sodass andere Platten nicht mit dem Rost beschmutzt werden. Keine Frage, das
Ding macht einen Heiden Spaß. Dennoch gibt es einen kleinen Kritikpunkt:
Normalerweise liegt den Veröffentlichungen von Sounds of Subterrania ein
Downloadcode bei. Hier allerdings nicht (vielleicht habe ich ihn ja auch nur
noch nicht gefunden und er steckt innen drin noch fest). Angesichts des
aufwendigen Auspackens der LP würde dieser aber besonders Sinn machen.
Vielleicht ist das aber auch gerade der Kniff und ein weiteres Kunst-Element: Damit man sich jedes
Mal intensiv mit der Verpackung auseinandersetzt und nicht einfach drüber
schludert und das Wesentliche, die fortschreitende Dekonstruktion einfach so
übersieht. Die rostbeschmutzten Hände
erinnern einen so zumindest immer dran, dass da ein Sinn dahinter steckt. Das
kann der Downloadcode nicht.
An dieser Stelle überlassen wir dann lieber dem Labelmacher das Wort, um das
Konzept zu erklären:
„Dekonstruktion war noch nie eine Theorie,
welche Sinn definiert, um Anweisungen zu geben. Vielmehr wirkt sie als
kritische Aufhebung der hierarchischen Gegensätze, von denen Theorien abhängen,
und zeigt die Schwierigkeiten jeder Theorie auf, die Sinn eindeutig definieren
möchte: als Intention, als determiniert durch Konventionen, als Erfahrung.“ ,
soweit die Lehre. Nun zur Praxis. Action Beat - The Noise Band From Bletchley,
im Grunde mehr als eine reine Band, ein Kollektiv, was man ebenfalls hört und
live natürlich spürt, haben ihr neustes, fünftes Album genau nach der Frage
benannt, die sie immer und immer wieder seid 10 Jahren bei der Suche nach Shows
zu hören bekommen. Dabei sollte sich ihr, von bis zu vier Gitarren, einem
Bassisten und vier Schlagzeugern gespielter, mit ungestümer Inbrunst
vorgetragener LoFi-Gitarren-Noise und ihre Show Qualitäten doch bis zum letzten
Booker vorgedrungen sein. Getrieben von der puren Lust an der Improvisation
lärmen sich die Jungs durch 30 Jahre Noiserock. Genau ihren Ansatz der
Dekonstruktion beherrschen sie in Perfektion. In ihrem Sound rückt das
unscheinbare, nebensächliche in den Vordergrund und fordert zur
Auseinandersetzung mit der eigenen künstlerischen Wahrnehmung. Das Konstrukt
des sich ständig änderten Kollektives, welches ihrem Bandsein zugrunde liegt,
führt somit auch zur Selbstdestruktion und Infragestellung des eigenen
Schaffens und genau deswegen macht es Spaß, Action Beat zu hören.“
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